50 Tage auf See, aus Sicht von Bernd
Heute haben wir ein kleines Jubiläum, unser Counter zeigt, dass wir 50 Tage auf See sind. Eigner von Joline sind wir nun seit knapp 300 Tagen. Wir haben uns vorgenommen, dass wir zu diesem Anlass unabhängig voneinander, eine kleine Bilanz ziehen und unsere Gedanken, Erfahrungen und Gefühle hier festhalten wollen.
Wie also ist es uns – bzw. besser gesagt mir (Bernd) – in diesen ersten 50 Tagen ergangen?
Ich hatte mir im Vorfeld so einige Gedanken gemacht, wie es in unserem neuen Leben sein würde. Die ersten Wochen in der Marina in Didim haben wir viel an Joline gearbeitet und hatten Zeit uns mit dem Boot vertraut zu machen. Allerdings waren dies alles nur „Trockenübungen“, viel Theorie und der Versuch sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten.
Irgendwann Ende Mai 2022 kam dann der Tag, an dem wir den schützenden Hafen verlassen mussten, raus in den neue, selbst gewählte Freiheit.
Technik – die Tücke steckt im Detail – die Lösung in deinen Fähigkeiten und in dem was dir zur Verfügung steht.
Und da kommen wir auch schon zu einem ersten wesentlichen Punkt. Ein Segelboot wie Joline, vollgestopft mit Technik, ist ein deutlich komplexeres Gebilde als ein Einfamilienhaus. Du bist abhängig davon, dass alle Systeme funktionieren und auch dafür verantwortlich, dass es so bleibt. Sicher ist es keine Katastrophe, wenn einmal eine Pumpe ausfällt oder eine Lampe nicht geht. Wer möchte aber schon auf die Antriebsmotoren oder das Navigationssystem verzichten müssen? Anders als an Land kann man auf See nicht mal eben einen Handwerker rufen oder die benötigten Teile Next Day bei Amazon und Co. bestellen.
Dementsprechend habe ich viel Zeit darauf verwendet das Boot mit all seinen System kennen zu lernen, mich eingehend mit deren Funktion auseinanderzusetzen und Ersatzteile und Werkzeug aller Art zu beschaffen. Einiges haben wir ausgetauscht und erneuert, anderes repariert und verbessert.
Insgesamt hat das ganz gut geklappt und viele Projekte sind inzwischen abgeschlossen. Es gab aber hier und da auch Rückschläge. Der Rückwärtsgang der Steuerbordmaschine ging bzw. geht z.B. nicht zuverlässig. Hier hatte sich das Steuergestänge verstellt. Ein Problem, welches sich mit dem Servicemanual schnell lösen ließ. Als Ergebnis sieht es aber so aus, als sei die Kupplung in Mitleidenschaft gezogen worden, was eine größere Reparatur bedeuten würde. Ich werde das Problem erst einmal im Auge behalten und falls erforderlich später in der Marina lösen. Allerdings ist hierfür wie der Spezialwerkzeug erforderlich, welches wir noch nicht an Bord haben.
Unser neues Heim
Joline ist ein komfortables und sicheres Heim. Ich vermisse nichts von dem, was unser Haus in Deutschland zu bieten hatte. Wir haben mehr als genug Platz. Aktuell steht uns durch die neuen Solarzellen mehr Strom zur Verfügung, als wir verbrauchen können. Wasser können wir noch nicht selbst machen, daher ist dies eine Ressource mit der wir sparsam umgehen und so ist eine lange heiße Dusche im Moment ein Luxus, den wir uns nicht allzu häufig gönnen.
Insgesamt fühle ich mich auf Joline sehr sicher. Sowohl beim Segeln, als auch Nachts vor Anker. Man benötigt allerdings schon ein gesundes Urvertrauen und an der ein oder anderen Stelle eine Portion Mut um sich den ständig neuen Situationen zu stellen. So stelle ich mir vor dem zu Bett gehen meist die Frage „Hält der Anker, ist alles sicher vertäut, ist mit einem Unwetter zu rechnen, haben wir an alles gedacht?“ Um am nächsten Morgen festzustellen, das wie Welt wieder einmal wunderbar ist – außer es ist Unwetter, von dem wir hier in der Türkei bisher weitestgehend verschont geblieben sind.
Die Türkei – Land und Leute
Wir sind jetzt das erste mal wirklich lange in einem fremden Land. Nicht als Touristen im eigentlichen Sinne, wir haben Zeit und auch andere Themen, die uns umtreiben. Wir müssen alle Belange des täglichen Lebens regeln und das ohne die Landessprache zu sprechen.
Die Menschen hier in der Türkei sind wirklich toll. Wir haben in den vielen Wochen, die wir nun in der Türkei sind, durchweg positive Erfahrungen gemacht. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit. Auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht, kommt man schon irgendwie zusammen. Die Handwerker waren zuverlässig und haben sehr gute Arbeit abgeliefert. Der Grad an Vertrauen, der einem entgegen gebracht wird ist enorm. Ich glaube nicht, das das so in Deutschland möglich wäre.
Wie geht es mir?
Ich merke gerade, dass ich bis jetzt über äußere Faktoren geschrieben habe. Wie geht es mir denn eigentlich im neuen Leben?
Im Vorfeld hatte ich mir zahlreiche Gedanken gemacht, wie gut wir uns in das neue Leben auf dem Boot einfinden würden. Ich hatte großes Vertrauen in unsere mentale Stärke und unsere Fähigkeiten die Dinge zu meistern. Allerdings reden wir jetzt nicht mehr von 2-3 Wochen Urlaub, sondern von einem Dauerzustand.
Das Leben auf einem Segelboot ist durchaus herausfordernd. Ständig muss man sich auf neue Situationen einstellen und die Sicherheit, die man vom Leben an Land gewöhnt ist, gibt es nicht mehr. Man ist den Naturgewalten ausgesetzt und muss mit diesen umzugehen lernen. Dies gelingt uns täglich aufs Neue. Manchmal ist es im Moment ein wenig viel, was da so alles zusammen kommt und ich genieße die Ruhe am Abend, wenn der Tag zur Neige geht und sich der Wind legt.
Auch das Leben an Bord, mit begrenztem Platz, ohne Pause Taste und plötzlich 24/7 zusammenleben anstatt einer Wochenendehe, bei der die Arbeit lange Jahre im Vordergrund stand funktioniert seht gut. Wir haben uns gut aufeinander eingeschwungen und sind ein prima Team. Sicher müssen wir gemeinsam noch mehr Erfahrung sammeln was das Segeln angeht, aber wir lernen jeden Tag dazu.
Mental und körperlich geht es mir gut wie lange nicht mehr. Ich habe, seit wir Deutschland verlassen haben, 8 kg abgenommen und fühle mich inzwischen wieder ziemlich fit. Die Arbeit auf dem Boot ist trotz vieler elektrischer Helferlein teilweise anstrengend und kräfteraubend.
Ich genieße jeden Tag die nahezu grenzenlose Freiheit, die uns dieser neue Lebensstil ermöglicht. Ich fühle mich frei und glücklich. Aus heutiger Sicht war es genau die richtige Entscheidung sich auf den Weg um die Welt zu machen. Wenn ich aktuelle Bilder mit denen vor Begin unserer Reise vergleiche, habe ich den Eindruck ich sehe entspannter und zufriedener aus – vielleicht täuscht dieser Eindruck – es fühlt sich auf jeden Fall so an.
Ich bin glücklich und freue mich auf alles was noch kommt.