Zurück nach Deutschland – Wiedersehen mit der Heimat oder Rückkehr in die Fremde?
02.11.2024
Nach über 14 Monaten auf Langfahrt geht es wieder zurück an den heimischen deutschen Herd…
Dorfidylle statt weites Meer, Hausisolation statt Leben mit und in der Natur – krasse Gegensätze.
Ende Juni kommt unser Katamaran Joline in Aruba aus dem Wasser und wir packen zusammen, um nach Deutschland zurück zu fliegen. Ende April 2023 sind wir in Tunesien gestartet, sind im November mit der ARC knapp drei Wochen über den Atlantik gesegelt. Anfang Dezember sind wir in der Karibik angekommen, haben hier Weihnachten und Silvester gefeiert und den deutschen Winter und Frühling zum karibischen Sommer gemacht. Viele Monate sind wir als Ausländer in vielen Ländern unterwegs gewesen und ich habe mich trotzdem nicht fremd gefühlt. Unterwegs mit unserem schwimmenden Haus hatten wir ja immer ein Stück Heimat dabei… und die Menschen haben uns überall freundlich aufgenommen.
Erste Unsicherheiten – sich als vermeindlich besonders gefährdeter Weisser und Ausländer unter den überwiegend schwarzen Einheimischen in der Karibik zu bewegen – hat sich schnell in Wohlbefinden aufgelöst.
Überall ist man bereit, uns in den Inselalltag zu integrieren. Berührungsängste nehme ich nicht wahr, mit Englisch und Französisch ist eine Verständigung überall möglich, auch wenn die Einheimischen untereinander Kreolfranzösisch oder Papiamentu sprechen.
Die Menschen sind hilfsbereit und nehmen auch gerne Hilfe in Anspruch – immer wieder mal werden wir mit dem Dinghi herbeigewunken, um einen Einheimischen zu seinem Boot zu transportieren…
Auch unter den Seglern gibt es eine Community – auf manche Bootcrews treffen wir immer wieder, manchmal segeln wir ein Stück gemeinsam, manchmal verbringen wir ein paar Abende oder auch nur ein paar Stunden miteinander.
Seit wir Starlink an Bord haben ist die Kommunikation – von Boot zu Boot – auch länderübergreifend – kein Problem mehr – WhatsApp macht es zudem kostenfrei. Nach Deutschland ist die Verbindung etwas schwieriger, 6 Stunden Zeitversatz – das ist ein Leben in einem unterschiedlichen Zeitrhytmus, schließlich möchte niemand mitten in der Nacht angerufen werden, nur weil wir gerade gemütlich beim Abendessen sitzen…
Im Juli dann hat dieses vagabundieren ein Ende. Es geht für mehrere Monate zurück nach Deutschland. Während wir die Vorbereitungen treffen, kommt mir der Wechsel eher unwirklich vor. In ein paar Tagen zurückfliegen…bis wir im Flughafen von Oranjestad ankommen ist das alles noch weit weg.
Der Flieger bringt uns nach Amsterdam und dort sammelt uns unsere Tochter Celine mit unserem Auto ein. Noch gut zwei Stunden Autofahrt und wir stehen wieder vor unserem Haus.
Anheimelig begrüsst es uns nicht, nach vielen unbewohnten Monaten wirkt das Hausinnere nüchtern und kalt auf mich, der Garten hat sich in einen Urwald verwandelt und lässt kaum Licht ins Haus – trotz der vielen Fenster, alles wirkt kühl und abweisend – ich bin nicht sicher, ob ich mich hier wieder wohl fühlen werde.
In den nächsten Tagen beginnen wir, dem Haus wieder mehr Leben einzuhauchen, Möbel werden gerückt, es wird dekoriert und eine heimelige Unordnung verbreitet. Wir entern den Supermarkt und nehmen Kontakt mit Freunden, Bekannten und Verwandten auf – langsam kehrt wieder Leben ein und ganz schnell fühle ich mich wieder Zuhause.
Zum ersten Mal – nach 14 Monaten – sitze ich wieder hinter einem Autolenkrad… ist aber wie Fahrrad fahren… verlernt sich nicht….
Nach ein paar Tagen ist es wieder Alltag. Ich stelle fest, dass ich es genieße, gewohnte Dinge zu tun, ein Kinobesuch, ein Cafebesuch, Straßen fahren, die ich schon früher so oft gefahren bin, Geschäfte besuchen, in denen ich früher gerne gestöbert habe, mal wieder über einen Trödelmarkt schlendern…. ein Wohlbefinden stellt sich ein. Vertraute Menschen treffen, die einen so eine lange Zeit im Leben schon begleitet haben und die man lange nicht gesehen hat. Die Liste der Dinge, die ich erleben möchte, bevor wir wieder unterwegs sind wird immer länger. Besuch beim Griechen, in meinem Lieblingscafe, Kassler essen… und Sauerkraut. Die Vielfalt von deutschem Brot genießen. Die Lieblingspizza beim Lieblingsitaliener, Popkornkino, der lang vermisste Mädelsabend mit meiner Freundin…dann steht noch eine Hochzeit ins Haus, ein Besuch in Hamburg, das Studio meiner Lieblingssoap „Rote Rosen“ in Lüneburg besichtigen, ein Besuch in Berlin und viel Arbeit… BB – Besitz belastet…. und muss in Schuss gebracht werden…. und Arztbesuche… mann ist jetzt in dem Alter…frau auch….
Mittlerweile ist November. Langsam läuft mir die Zeit davon – ich versuche terminlich noch alles auf die Reihe zu bekommen, bald geht es wieder los… der Kalender wird immer voller…. alle Lieben noch einmal treffen bevor es wieder auf Langfahrt geht…. einige werden in der nächsten Saison mitsegeln, andere sehen wir erst beim nächsten Mal in Deutschland wieder…
Die Planung für die nächste Segelsaison läuft auf Hochtouren, der Countdown läuft… langsam stellt sich die Vorfreude ein, die Abenteuerlust… tief im Herzen bin ich doch ein Vagabund – unterwegs fühle ich mich am wohlsten…
Doch auch Deutschland ist mir ans Herz gewachsen und ich bin mir sicher, dass der Wechsel von Langfahrt und Deutschlandsommern eine gute Mischung ist.
Für alle, die uns nicht in der Karibik auf unserem Boot besuchen…. wir sehen uns wieder im nächsten Sommer in Deutschland…