Gedanken und Motivation

100 Tage auf See – Bernd: Wie es mein Leben verändert hat

Wir haben die ersten 100 Tage auf See hinter uns gebracht. Eigentlich sind sie vergangen, wie auch sonst die Zeit vergeht. Ich habe jedoch nicht mehr den Eindruck, dass mir die Zeit zwischen den Händen verrinnt. Vielmehrt sind die Tage angefüllt mit Erlebnissen und Begegnungen. Nicht jeder Tag bietet ein besonderes Highlight, aber doch viele. Insbesondere, wenn man genau hinsieht und bereit ist, sich auf Neues einzulassen.

Im Rückblick sind die ersten 100 Tage auf See schnell vergangen. Rufe ich mir allerdings die Erlebnisse auf, die sich in der Zeit ereignet haben, so fühlt es sich nach einer langen, ausgefüllten Zeit an.

100 Tage auf See – Abendstimmung vor Cesme

Vorbereitung auf die große weite Welt

Die ersten 100 Tage auf See sind eine gute Vorbereitung auf das, was uns die Zukunft bringen soll. Wenn mich jemand nach unseren Plänen fragt, dann sage ich im Moment „Wir haben keine festen Pläne. Wir werden segeln solange wir Spaß daran finden und es uns gut geht. Angedacht ist einmal um die Welt in 10 Jahren. Danach sehen wir weiter.“

In den letzten 100 Tagen haben wir die Gelegenheit gehabt unsere Joline genauer kennen zu lernen. Vieles wurde geprüft, geändert, erneuert oder verbessert. Unter Seglern gibt es den Spruch, dass man sich um die Welt repariert, weil ständig etwas kaputt geht. Nun, ein Stück weit scheint sich diese Aussage zu bestätigen. Der Werkzeugkasten hat zur Zeit noch einen festen Platz im Cockpit und ich benutze ihn täglich.

Die Tage auf See bedeuten auch eine steile Lernkurve, die man aus meiner Sicht beim Urlaubssegeln oder am Wochenende so einfach nicht erzielen kann. Der Umgang mit dem Boot und die Routine beim Ankern oder Anlegen sowie die Beherrschung der Yacht unter den unterschiedlichen Wind- und Wetterbedingungen ist eine andere geworden. Wir lernen jeden Tag dazu und das wird auch die nächsten Jahre so bleiben. Neues und Unbekanntes wird vertraut und irgendwann zur Routine.

Ein Sommer in der Türkei

Wir haben den Sommer in der Türkei verbracht und die türkische Küste von Cesme im Norden bis nach Kekova an der lykischen Küste im Süden erkundet. Anfangs hatten wir – getrieben von unserer Vergangenheit – Pläne gemacht und überlegt, wie weit wir jeden Tag fahren wollen bzw. was wir schaffen können.

Wenn man plötzlich Zeit hat und nicht mehr von Termin zu Termin hetzen muss, ändern sich Vorzeichen und Prioritäten. Auf See stellt sich schnell eine wohltuende Entschleunigung ein. Wir planen jetzt nur noch grobe Eckdaten und füllen die Zeit dazwischen mit den Erlebnissen, die uns unsere Reise beschert. Mal sind wir schneller unterwegs, mal bleiben wir länger an einem Ort.

Zukunftspläne

Die letzten 100 Tage waren ein guter Prüfstein dafür, was wir uns vorgenommen haben. Wir sind in unserem neuen Leben angekommen und fühlen uns wohl, mit dem was wir tun. Aus heutiger Sicht kann es lange so weiter gehen.

Die nächsten 100 Tage werden spannend und herausfordernd. Es steht die Überfahrt nach Tunesien an. Rund 950 Nm quer durch das Mittelmeer. Ein neues Land mit vielen Unbekannten und neuen Herausforderungen wartet auf uns. Wir freuen uns auf diese neue Challenge.

I00 Tage Sonntag?

Nein, es ist das normale Leben mit allem was auch sonst dazugehört. Vielmehr müssen wir uns um alles kümmern und sind 7/24 für alles verantwortlich. Ich würde es eher als Leben 2.0 bezeichnen.

Ich habe das Gefühl von unendlicher Freiheit. Wir können unser Route bestimmen, wie wir wollen, legen fest wann und wo wir bleiben oder wann wir weiter fahren möchten. Unser Anker fällt genau da, wo es uns gefällt und wo wir sein möchten. So ist es in 90 Prozent der Fälle. Manchmal müssen wir uns auch nach dem Wetter richten und eine Abfahrt verschieben oder die Route anpassen.

Das Leben auf dem Wasser ist entspannend und von Ruhe und Zufriedenheit gekennzeichnet. Manchmal ist es herausfordernd, wenn die Naturgewalten ihre Muskeln spielen lassen – aber dann ist die Natur wieder versöhnlich und entschädigt einen mit einem tollen Sonnenaufgang, einer ruhigen Bucht oder einer besonderen Begegnung.

Angesichts der Weite des Meeres, des gewaltigen Nachthimmels und der Kraft der Natur wird man demütig und klein und lernt die sonst so selbstverständlichen Dinge des Lebens mehr schätzen.

Würde ich es wieder tun

Zu 100 Prozent und aus tiefstem Herzen: JA

Immer wieder höre oder lese ich Sätze wie „Das war die beste Entscheidung unseres Lebens“. Soweit würde ich an dieser Stelle nicht gehen. Ich würde sagen es war die richtige Entscheidung zu dieser Zeit. Wir genießen unsere neue Freiheit in vollen Zügen und haben große Pläne für die Zukunft. Unser Leben soll und wird sich nicht 7 / 24 / 365 auf dem Boot abspielen. Wir haben mit Joline ein neues Heim gefunden, welches uns Dinge ermöglicht, die wir sonst nicht hätten realisieren können.

Erkenntnis des Tages

Dieser Satz aus dem Buch von Hape Kerkeling „Ich bin dann mal weg“ hat mir immer besonders gut gefallen. Meine Erkenntnis des 100. Tages auf See lautet:

„Man braucht Mut um sich aus seiner Komfortzone heraus zu trauen. Die Welt belohnt dich mit tollen Erlebnissen, wenn du dich darauf einlässt. Sei bereit für Neues; verliere dich nicht in deinen Träumen, sondern setz deine Pläne in die Tat um.

Pläne sind gut und wichtig. Du musst aber auch den Mut haben sie umzusetzen und bereits sein sie immer wieder anzupassen, wenn sich die Vorzeichen ändern.

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