Erkenntnisse eines Vagabunden – Ein Jahr mit dem Katamaran unterwegs…
April 2024
Ein Bericht aus meinem blauen Alltag…
Zum Monatsende jährt sich unsere zweite Losreise – 365 Tage sind wir nun fern von Deutschland unterwegs – Zeit für einen Rückblick.
Tatsächlich fällt es mir schwer, diesen Bericht zu schreiben, denn für mich ist es ein Bericht aus dem Alltag und das ist ja in der Regel nicht so spannend.
Ja mein Alltag ist blau statt grau – aber es ist trotzdem Alltag. Es fallen alltägliche Dinge an: Putzen, Waschen, Spülen, Aufräumen… Einkaufen von Lebensmitteln, Empfang von Gästen … hier wohl mit dem Unterschied, dass sie, wenn sie erst einmal da sind, auch gleich länger bleiben.
Es ist also gar nicht immer so zweisam an Bord. Unsere Zweisamkeit klappt gut, auch wenn unsere Kinder da im Vorfeld so ihre Bedenken hatten, immerhin haben wir gut fünfzehn Jahre lang eine Wochenendehe geführt. Aber wir sind ein gutes Team – ich hatte daran auch nie einen Zweifel.
Das Zusammenleben funktioniert durch Kommunikation, Nähe und Freiräume – eigentlich wie vorher, nur das wir jetzt räumlich meist nicht weit voneinander entfernt sind. Unsere Interessen sind es aber in einigen Bereichen schon – das hat sich herauskristallisiert.
Bernd ist der Skipper und Herr der Technik – ich bin der Kommunikationsoffizier.
Technik und Segelhandwerk – das ist nicht mein Ding – soviel kann ich nach einem Jahr sagen. Ich bin gerne auf dem Boot, gerne auf dem Wasser unterwegs. Ich habe ein gutes Gefühl für unseren Kat und kann ihn steuern und ich fühle mich wohl und sicher – aber die Hohe Kunst des Segelns… nein, für mich ein Buch mit sieben Siegeln, es reicht mir, die Einleitung zu verstehen. Ich bewege mich gerne an der Küste, aber Nachtfahrten betrachte ich als notwendiges Übel – einige lieben die Stille der Nacht, den Sternenhimmel, das Leuchten des Meeres und des Mondes… für mich ist die Nacht unterwegs auf dem Meer vor allem eins: Dunkel.
Wir reisen langsam – trotzdem ist nicht genug Zeit, sich in jedem Land – oder in diesem Reiseabschnitt muss man wohl eher sagen – auf jeder Insel – intensiv umzusehen. Es gibt zu viele Wälder, Wasserfälle, Strände, Buchten, Lokationen und Destinationen – 22 Länder/Inseln haben wir in diesem Reisejahr besucht.
Das klingt viel – ist es auch, liegt aber daran, dass auf dieser Reise die nächste Insel, das nächste Land meist nur eine Sichtweite entfernt liegt – das wird sich in Zukunft aber wieder ändern. Trotzdem mussten wir auf unser Tour Insel/Länder auslassen – am Ende der Zeit bleibt halt noch so viel Welt übrig…
Wir sind nun seid Dezember in der Karibik – ist es hier überall schön?
Nein wohl nicht, auf dem Wasser – oder vom Wasser aus gesehen, ist die Welt bisher sehr schön – an Land nicht immer, mal gibt es Schmutz und Müll, mal gibt es armselige Behausungen. Und die Menschen? Naja, wir verschmelzen nicht mit der Bevölkerung, obwohl wir uns nicht mehr als Touristen fühlen. Wir bewegen uns an alltäglichen Orten, wo wir auf die Einheimischen treffen – im Supermarkt, in Fachgeschäften, auf Märkten, im Sammeltaxi. Wir essen gerne in Kantinen und an Imbissständen – aber in Ländern, wo die Einheimischen farbig sind, fallen wir Toastbrote natürlich trotzdem sofort auf, dafür brauchen wir uns nicht besonders herauszuputzen – Segler kleiden sich eh einfach. Als Toastbrot erkannt, besteht auch kein Zweifel, dass die Leute Geld haben – zumindest geht man davon aus und so sind einige Angebote, die auf Touristen zugeschnitten sind – sehr sehr teuer – noch teurer, als es Spass macht, zumindest hier in der Karibik. Andere Dinge – vor allem die des täglichen Lebens – sind aber generell teuer, auch für die Einheimischen. Trotzdem fühle ich mich hier weder unwohl noch unsicher oder ausgegrenzt und wenn auch jeder versucht ein bisschen Geld vom Tourismus abzugreifen, so begegnen mir hier die Leute freundlich und hilfsbereit und eins verspüre ich nicht: Neid und Missgunst. Leben und Leben lassen, das ist hier die Devise – es ist Islandltime.
Neue Welten entdecken
Ich habe hier in der Karibik das Schnorcheln für mich entdeckt. Mit der neuen Gesichtsmaske empfinde ich das Atmen und den Blick unter Wasser als sehr entspannt. Und die Unterwasserwelt an den zahlreichen Riffen ist immer wieder spektakulär und ständig gibt es Neues zu entdecken. Ich hätte nicht gedacht, dass unter der blauen Wasseroberfläche das Leben tobt – bunte Fische in so vielen Größen, Formen und Farben, das ist wirklich faszinierend. Vor allem, da sich die Unterwasserwelt so gar nicht an den Schnorcheltouristen stört – sie gehen ihrer Alltagsbeschäftigung nach und oft hat man das Gefühl, man muss nur die Hand ausstrecken um einen Fisch zu fangen – aber da sind sie dann doch nicht so zutraulich. Neben Rifffischen gibt es an einigen Stellen jede Menge Wasserschildkröten und immer wieder mal Rochen. Und wenn man plötzlich von einem Fischschwarm überholt wird und hier meine ich große Fische in schillernden Farben – das ist schon ein unbeschreibliches Gefühl. Ja, das Wasser ist definitiv mein Element.
Ausblick
Unsere jetzige Segelreisensequenz neigt sich dem Ende – Ende Mai beginnt in der Karibik die Hurrikansaison und wir verlassen dieses Region. Wir durchqueren das karibische Meer und laufen die ABC-Inseln an, in Aruba kommt unser Boot aufs Trockendock – nach einer für Joline anstrengenden Segelsaison bekommt sie wieder Zuwendung und Pflege – und wir fahren zurück nach Deutschland. Einiges Erfreuliche steht an: eine Hochzeit steht ins Haus, eine Irlandreise mit Freunden, mal wieder altvertraute Lokation aufsuchen, Popkornkino. Aber auch Dinge die liegengeblieben sind und sich angehäuft haben fallen an: Arbeiten am Haus, Gesundheitsuntersuchungen, Zahnarztbesuch, die vielgeliebten Steuern…
Ist Deutschland noch Heimat?
Ja für mich schon – ich fühle mich unterwegs auf unserem Katamaran Joline zu Hause – aber auch noch in Deutschland, wo unser Haus immer noch auf uns wartet, wo Familie und Freunde wohnen und liebgewonnene Lokation und Aktivitäten auf uns warten.
Sehne ich mich zurück nach Deutschland?
Nein – aber ich freue mich…