10. Reise: Überführungstörn Mittelmeer – von Asien nach Afrika – wir durchqueren das Mittelmeer – rund 1000 Seemeilen nonstop – Oktober 2022
Nach gut 5 Monaten in der Türkei machen wir uns nun auf, das Land zu verlassen und einen anderen Kontinent anzusteuern. Wir starten zu unserer ersten Langfahrt nonstop über das Mittelmeer.
Rund 1000 Seemeilen (ca. 1800 Kilometer) liegen vor uns zwischen unserem Port of Entry – Marmaris in der Türkei – und dem Port of Entry in Tunesien – der Marina Houmt Souk auf der Insel Djerba.
Am 09.10.2022 nehmen wir unsere neuen Mitsegler an Bord, die uns auf unserer Reise tatkräftig unterstützen sollen und beide schon Erfahrung von einer Atlantiküberquerung mitbringen.
Zwei Tage brauchen wir für die Proviantierung. Wir rechnen mit einer Reisezeit von 8 – 10 Tagen und planen Lebensmittel und Getränke für sicherheitshalber 12 Tage.
Wir besuchen einen Großmarkt und den heimischen Bauernmarkt. Die hilfsbereiten Händler bringen alles zum Hafen zu unserem Dinghi.
In mehreren Fahrten bringen wir die Lebensmittel auf unser Boot und verstauen alles. Stauraum gibt es auf einem Katamaran genügend – wir haben daher keine Probleme, alles gut unter zu bringen.
Tag 1: Anker auf in der Türkei, Ausklarieren und Kurs Afrika setzen
12.10.2022 – ein neuer Morgen in Marmaris – unser Abreisetag beginnt.
Wir starten früh – unser erster Weg führt uns zur Wasser-Tankstelle – wir fassen 600 Liter Diesel für unsere beiden Motoren und 700 Liter Wasser für unsere beiden Frischwassertanks. Damit haben wir ausreichend Kraftstoff an Bord um nötigenfalls bis Tunesien zu motoren – mit dem Frischwasser müssen wir sparsamer sein – tägliche Duschorgien sind damit nicht drin.
Weiter geht es zum Zollsteg. Der Agent erwartet uns schon um mit uns die Ausklarierung abzuwickeln.
Nachdem alle Formalien geklärt sind müssen wir noch zur Gesichtskontrolle zur Einwanderungsbehörde und erhalten unsere Ausreisestempel.
Gerade noch rechtzeitig vor der Fähre aus Griechenland…))… deren Passagiere nach uns zur Passkontrolle strömen.
Wir verlassen den Zollsteg und sind nun auf dem Weg in internationale Gewässer. Marmaris güle güle, Türkei güle güle.
Wir haben uns gemeinsam intensiv auf die Überfahrt vorbereitet, das Boot und alle Sicherheitseinrichtungen besprochen und inspiziert. Nun ist es für Andreas und Florian an der Zeit sich mit den Segeleigenschaften von Joline vertraut zu machen. Schon in der Nacht müssen beide ihren Mann auf der ersten Wache stehen.
Wir starten bei sonnigem Wetter und lauem Lüftchen doch sehr schnell frischt der Wind auf und die Wellen werden höher. Am Nachmittag verkleinern wir schon das Segel bei 24 – 28 Knoten Wind aus West.
Gegen Abend haben wir bereits bis zu 40 Knoten Wind und für die Nacht ist weiterhin starker Wind angesagt, daher verkleinern wir das Großsegel vorsorglich für die erste Nachtfahrt auf Reff 3 – die kleinstmögliche Segelfläche – für Sturmbesegelung.
Für die Langfahrt sind Lifelines über das Boot gespannt, Seile in denen man sich mit dem Sicherheitsgurt an der Schwimmweste einharkt, wenn man bei stärkeren Seegang über das Deck laufen muss. In der Regel bleibt die Besatzung im Bereich des Steuerstands – von hier ist der Katamaran bis auf Ausnahmen komplett zu steuern. Bei Nacht und Sturm hat niemand außerhalb des sicheren Bereichs etwas zu suchen.
Es stellt sich heraus, dass Sturmbesegelung eine gute Entscheidung ist, denn in der Nacht gibt es Wind um 45 Knoten, in Böen sogar bis 52 Knoten Wind. Das aufgespannte Sommerverdeck ist nur ein begrenzter Schutz vor aufspritzendem Wasser.
Tag 2: Die erste stürmische Nacht ist überstanden, wir haben die Türkei hinter uns gelassen.
13.10.2022 – Ein neuer Morgen nach einer seglerisch anstengenden Nacht – die Sonne scheint, die See ist weiter unruhig, wir haben Wind aus Nord mit 30 – 45 Knoten – wir hoffen auf eine ruhige See durch die Landabdeckung von der griechischen Insel Kreta, die wir am Abend erreichen werden. Aber vorerst schaukeln wir uns noch durch die Wellen
Wir sind nun im Bereich der Groß – Schifffahrt und halten Ausschau, ob uns die großen Pötte auch wirklich auf dem Schirm haben. Als Segelboot haben wir Vorfahrt und die Tanker müssen uns ausweichen und daran halten sich auch alle. Wir haben aber trotzdem ein wachsames Auge, immerhin sind wir im Bereich der Rennstrecke der Schiffe die durch den Suezkanal gehen wollen.
Tag 3: Erste Reparaturen nach dem Sturm
14.10.2022 – Wir haben die Landabdeckung von Kreta erreicht und der Wind beruhigt sich so sehr, dass wir nicht mehr Segeln können, sondern die Motoren anwerfen müssen. Wir nutzen die Zeit um Ausbesserungsarbeiten zu machen.
Mit zwei Ingenieuren an Bord ist die Technik in guten Händen…
Gelöste Nähte vom Segel – werden an Deck kurzerhand repariert. Obwohl das Segel im Frühjahr bei der Inspektion war, haben sich im Sturm zwei Nähte am Achterliek gelöst. Diese gilt es nun schnellstmöglich zu reparieren, damit das Segel keinen weitern Schaden nimmt. Wir haben dazu extra eine Nähmaschine mitgenommen, mit der man Segel nähen kann.
Zeit die Sonne und ein ruhiges Meer zu genießen.
Zeit auch die türkische Flagge, die nun fast 6 Monate auf unserem Boot geweht hat, einzuholen.
Gegen Abend nehmen Wind und Wellen wieder zu.
Dafür stellen sich erste Angelerfolge ein – ein recht kapitaler Thunfisch an der Angel.
In der Nacht wenig Wind und wenig Wellen. Es wird daher überwiegend eine Motorfahrt. Gewitterzellen über Kreta bringen gelegentlich starke, kurze Regenschauer aber zwischen den Schauern haben wir immer wieder wolkenlosen Himmel.
Tag 4: Wir sind bald an Kreta vorbei und es wird wieder stürmisch
15.10.2022 – Der Tag beginnt ruhig und sonnig.
Wir wissen bereits, dass wir, wenn wir den Landschutz von Kreta verlassen, wieder stürmische See bekommen werden. Die Wetterprognosen zeigen an, dass uns zuerst der Meltemi und dann der Scirocco, der von Italien herunter weht, uns voll erwischen wird.
Wir machen unser Boot fit für das sich ankündigende turbulente Wetter und tauschen die Sommerverkleidung gegen das Winterverdeck.
Sobald es der griechische Grenzverlauf möglich macht (wir wollen nicht in die EU einreisen), steuern wir so weit wie möglich nach Nordenwesten um Leeraum gut zu machen, damit wir vor dem heftigen Sturm ablaufen können und den Meltemi und später den Scirocco möglichst von schräghinten zu bekommen. Wir müssen uns dabei nördlich vom 34. Längengrad nach Libyen frei halten, da die libyische Nationalarmee das Seegebiet darunter für sich beansprucht und horrende Geldstrafen verhängt nach Aussagen der Bundespolizei See.
Mehrere Zugvögel landen immer wieder auf unserem Boot auch sie spüren den nahenden Sturm…
Gegen Mitternacht verlassen wir die Landabdeckung von Kreta – der Meltemi und der Scirocco lassen die Wellen auftürmen in Höhen von 4 – 5 Meter. Es ist ganz schön ungemütlich.
Florian und Andreas kämpfen mit der Seekrankheit – halten sich aber wacker.
Gegen 12 Uhr mittags zertrümmert eine Welle, die uns mit voller Wucht seitlich erwischt eine Seitenscheibe in der Achterkabine Steuerbord und dringt durch die Reissverschlüsse des Winterverdecks in die Pflicht ein.
Der starke Wellengang drückt immer wieder Wasser in die Kabine und Florian und Bernd dichten das Leck erst einmal provisorisch ab.
Das Leck haben wir provisorisch abgedichtet. Bei stärkeren Wellen dringt Wasser in die Kabine ein, die für diese Überfahrt nur als Stauraum genutzt wird. Eine weitere stürmische Nacht steht uns bevor. Wir beschließen, die Reparatur auf den kommenden Tag zu verlegen, da dann wieder ruhigeres Wetter kommen soll. In der Nacht sehen wir jede Stunde nach dem Stand der Dinge in der beschädigten Kabine.
Tag 5: Der Sturm ist vorbei, jetzt geht es auf die letzte Etappe Richtung Tunesien
16.10.2022
Der Himmel klart auf, der Wind legt sich – die Wellen brauchen noch etwas Zeit sich wieder zu beruhigen.
Wir haben einen sonnigen Tag mit leichter Bewölkung 15 – 23 Knoten Wind aus N-NNO. Entspanntes Segelwetter und wir beginnen mit den Aufräumarbeiten.
Bernd schneidet aus einem Holzbrett eine neue Scheibe und tauscht die zertrümmerte Scheibe gegen die Heckscheibe, die mit dem Holzbrett abgedichtet wird, da von hinten kein Wasser eindringt.
Die freuchte Wäsche aus der unbewohnten Achterkabine – umfangreich da als Lagerraum genutzt – wird zum Trocknen in der Pflicht aufgehangen.
Mehr als 50 Prozent der Strecke liegt nun hinter uns. Wir halten uns weiterhin von der libyischen Seegrenze frei und setzen unsere Fahrt bei idealem Segelwetter fort.
Auch das Angelglück setzt sich weiter fort – Andreas und Bernd können einen Mahi Mahi an Land ziehen, nachdem der Erste im letzten Moment entkommen konnte.
17.10.2022 – Ruhige Nacht 15 Knoten Wind weiter abschwächend, Wellen unter 1 m Genaker und Genua zum Schmetterlingssegeln aufgestellt. Wind von hinten – traumhaftes Segelwetter.
Tag 6: Es wird zunehmend ruhiger
Ein entspannter Segeltag neigt sich dem Ende. Im Mast hat sich die Antenne durch den Sturm gelockert – sie hält sich aber noch wacker – der Skipper beschließt, dies erst einmal so zu lassen.
Tag 7: Jetzt sind wir auf der Zielgeraden, Genusssegeln pur
18.10.2022 – Ruhige Nacht Wind aus NNO Segeln bei 12 – 25 Knoten Wind. Kommen gut voran. Einige Regenfronten ziehen durch, wir bekommen aber nur leichte, kurze Regenschauer ab. Fahren Reff 1 und Reff 2 je nachdem wie sich der Wind entwickelt.
Tag 8: Das Ziel – die Insel Djerba liegt vor uns
19.10.2022
Sonnenaufgang am nächsten Morgen.
Noch 175 NM bis zum Ziel – Ankunft am nächsten Tag wird erwartet.
Entspanntes Bordleben, die Crew hat sich eingespielt. Wir genießen das Segeln, Wind und sanftes Meer.
Nachmittags zwei Thunfische gefangen. Bernd und Andreas im Jagdrausch…
Tag 9: Ankunft in Tunesien. Es ist fast schade, dass unsere Überfahrt schon vorbei ist.
20.10.2022
Der letzte Morgen unserer Reise bricht an. Bereits gestern haben wir das Zeitfenster für die Ankunft geplant. Wir wollen versuchen am Nachmittag in der Marina Houmt Souk in Djerba anzukommen.
Wir nähern uns Tunesien.
Der Wind schläft ein und wir werfen für die letzten Seemeilen die Motoren an.
Kaum erreichen wir tunesisches Gewässer und haben die tunesische Flagge und die gelbe Quarantäneflagge gesetzt, werden wir auch schon von der tunesischen Navy aufgebracht.
Erst werden wir angefunkt und dann legt das schwer bewaffnete Boot bei uns an und wir haben die Marine an Bord – begleitet von zwei Soldaten mit Maschinengewehren.
Sie teilen uns mit, dass wir vor zwei Tagen von ihrem Bildschirm verschwunden sind, kein AIS mehr senden und auch nicht mehr im Vesselfinder zu finden sind…..
Nachdem unsere Personalien aufgenommen wurden, wir glaubhaft versichern konnten, dass der Sturm unsere Antenne geknickt hat und wir deshalb nicht mehr senden können und in friedlicher touristischer Absicht kommen, können wir weiterfahren und werden von der Navy in Tunesien herzlich willkommen geheißen.
Wir nähern uns der Küste, das Wasser wird sehr flach.
Schon gibt es einen neuen Besucher der sich intensiv für unser Boot interessiert:
Wir erreichen die Fahrwassermarkierung für die Hafeneinfahrt der Marina Djerba – Wassertiefe manchmal nur 3 Meter – da ist es wichtig, sich im ausgeschilderten Fahrwasser zu halten.
Djerba taucht am Horizont auf.
Wir machen das Schiff klar zum Anlegen.
Fender raus.
Wir erreichen den kleinen Hafen von Djerba und machen am Besucherkai fest – hier können wir auch die nächsten Tage liegen bleiben.
Wir haben es geschafft – die erfolgreiche Crew – Florian, Andreas, Petra und Bernd haben wieder festen Boden unter den Füßen.
Unsere Route von Marmaris in der Türkei nach Djerba in Tunesien
Wir haben insgesamt 986 Nautische Meilen (1826 Km) zurückgelegt.
Dafür haben wir 8 Tage, 2 Stunden und 22 Minuten gebraucht.
72 Stunden sind wir dabei unter Motor gefahren.